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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Einschulung in Hamburg Teurer Start in die Schulzeit

Anfang September beginnt für 16.867 Erstklässlerinnen und Erstklässler in Hamburg der "Ernst des Lebens". Ein Anlass, der gebührend gefeiert werden muss – zumindest aus Sicht vieler Eltern, die dafür tief in die Tasche greifen.
Obwohl es nur noch drei Monate bis zum Schulstart hin ist, sind in der Ranzenabteilung der Hartfelder Spielefiliale in Hamburg-Altona längst ruhige Zeiten angebrochen. An diesem Vormittag lässt sich nur eine Mutter mit ihrem Sohn beraten. Die Marke und das Modell des Schulranzens stehen bereits fest – nun bleibt noch die quälende Frage nach der richtigen Farbe: Schwarz mit Sternen, Grün mit Blitzen oder doch Rot mit Hochhäusern?
Unentschlossen hockt der angehende Erstklässler auf dem Boden. Die Entscheidung will gut überlegt sein – schließlich begleitet der Ranzen ihn mindestens vier (Schul-)Jahre lang. "Im Januar bis März finden unsere Ranzenmessen statt, da verkaufen wir die meisten", erzählt Filialleiterin Laura Nielsen. "Im Juni sind wir zwar noch gut ausgestattet, aber die begehrten Modelle sind dann meist schon vergriffen. "
Der Schulstarter und seine Mutter werden dennoch fündig. Nach knapp einer Stunde Beratung kaufen sie ein Set für rund 300 Euro – bestehend aus Ranzen, Turnbeutel, aber auch gefüllter Federtasche, Schlampermäppchen, Trinkflasche und Brotdose. Günstigere Modelle sucht man in den meisten Fachgeschäften vergeblich.
Die Anforderungen an einen modernen Ranzen sind schließlich hoch: Er soll nicht nur gut aussehen, sondern auch wasserdicht sein, im Dunkeln leuchten und ergonomisch perfekt sitzen. Entsprechend groß ist die Zahlungsbereitschaft vieler Eltern. Verbraucherschützer werfen den Herstellern vor, diese Bereitschaft schamlos auszunutzen – diese wiederum verweisen auf lange Garantiezeiten sowie steigende Kosten für Materialien und ergonomische Entwicklungen.
Doch beim Ranzen geht es nicht nur um Rückengesundheit. "Die Farben und Designs sind in den letzten Jahren etwas dezenter geworden. Statt großer Dinos oder Feen sehen wir heute eher kleine Details", erzählt Nielsen. Dafür verkaufen die Hersteller nun Klett-Patches und Anhänger, mit denen die Ranzen individuell gestaltet werden können. Ein Set Klettbilder mit Raumschiffen, Superhelden oder Einhörnern kostet zwischen 15 und 20 Euro – beliebte Beigaben für die Schultüte.
Schultüte als Liebesbeweis
Auch für dieses wichtige Statussymbol der Erstklässlerinnen und Erstklässler wird tief in die Tasche gegriffen. Einfache Pappmodelle kosten kaum mehr als 15 Euro, doch bei den Einschulungsfeiern ernten sie oft skeptische Blicke. Stofftüten mit dem Namen des Kindes und individuellem Design sind online oder direkt beim Händler erhältlich – allerdings kosten sie zwischen 50 und 70 Euro. Da lohnt es sich fast, selbst zur Nähmaschine und Bastelschere zu greifen.
Schultütenkurse für engagierte Eltern bietet Maria Sander vom Hummelstudio an. Für 99 Euro – inklusive Materialien und einem Gläschen Schampus – unterstützt sie drei bis vier Teilnehmerinnen beim Nähen und Verzieren. Vorkenntnisse sind nicht nötig. "Die Einschulung ist für viele Eltern ein großer Moment. Mit der selbstgemachten Schultüte wollen sie ihren Kindern zeigen, wir lieben und begleiten dich", erklärt die Gründerin.
Damit die Tüten auch nach dem großen Tag noch Verwendung finden, lassen sie sich später in ein Kissen umwandeln. Auch Sanders Tochter nutzt ihre Tüte noch Jahre später zum Kuscheln. Das Konzept kommt gut an: Seit Ostern sind die Kurse regelmäßig ausgebucht. Bis zu den Sommerferien sollen sie deshalb weiterlaufen – testweise auch als Mutter-Kind-Variante.
Bei der Gestaltung sind die Teilnehmerinnen sehr kreativ. Der Name des Kindes gehört ebenso dazu wie bunte Bänder. "Beliebt sind vor allem grafische Muster, passend zum Ranzen oder Einschulungsoutfit. Dazu kommen kleine Motive wie Käfer, Planeten oder Dinosaurier – je nachdem, was das Kind interessiert", sagt Sander.
Prall gefüllte Schultüten, aber keine Walking-Acts
Nicht weniger großzügig zeigen sich Eltern und Verwandte beim Befüllen der Tüten. 70 bis 90 Euro sind keine Seltenheit, schätzt Spielzeughändlerin Nielsen. Verkaufsschlager sind kleine Lego-Sets, Tierfiguren, Puppen und Kuscheltiere. Dazu kommen Erstlesebücher oder Schreibutensilien wie die beliebten Gelstifte der italienischen Marke Legami. Diese haben Tierköpfe als Kappen, ihre Tinte kann ausradiert werden. In der Schule sind sie zwar nicht gern gesehen – bei Kindern sind sie umso beliebter. "Ab Juli bauen wir zusätzliche Aufsteller für unsere Schultüten-Produkte auf", so Nielsen.
Schon etwas früher verschicken die Schulen ihre Materiallisten mit Vorgaben für Blöcke, Mappen, Tuschkästen und Stifte in passendem Härtegrad. Auch darauf haben sich die Händler eingestellt: In vielen Spiel- und Schreibwarenläden kann man einfach die Liste abgeben – wenige Tage später bekommt man ein komplett gepacktes Paket zurück. Kostenpunkt: schnell 100 Euro und mehr. Das Angebot spart aber Zeit und Nerven – immerhin müssen viele Mütter und einige Väter noch die Einschulungsfeier organisieren.
Die fällt in Hamburg vergleichsweise bescheiden aus – auch wegen des Termins: Die Einschulung findet in diesem Jahr an einem Mittwoch statt: dem 9. September. Mitten in der Woche bleiben die meisten Feiern auf ein gemeinsames Essen im Familienkreis beschränkt. Abendfüllende Partys mit Walking-Acts und allen Freunden sind vermutlich eher die Ausnahme.
Auch die angefragten Hamburger Eventagenturen haben Einschulungspartys bislang nicht als drittes oder viertes Standbein entdeckt. Ganz verzichten wollen viele Familien aber nicht auf ein festliches Beisammensein nach der Einschulung – und so landet zum Schulstart oft eine individuell gestaltete Torte auf dem Tisch.
Bei Emmas Konditorei in Winterhude sind die ersten Bestellungen längst eingegangen. Im Moment sind es zwei bis drei pro Woche, der große Andrang beginnt vier Wochen vorher. Die Bandbreite ist groß: Vom einfachen Blechkuchen mit Zuckerschrift für 20 Euro bis zur aufwendig verzierten Fondanttorte mit Namenszug, Schulmotiven oder kleinen essbaren Stiften für über 200 Euro ist alles möglich.
Auch viele Bäckereien bieten in dieser Zeit Muffins mit bunten Zuckerbuchstaben oder Cake-Pops in Schultütenform, quasi als letzte, süße Aufmerksamkeit, bevor der "Ernst des Lebens" beginnt – für die Schulanfänger und ihre frisch eingeschulten Eltern.
- Eigene Recherche