Urlaub im Süden Österreichs Diese Stadt ist eine große Überraschung

Österreichs heimliche Architekturhauptstadt mit ihrem südlichen Flair wird unterschätzt. Wer Kultur, Kulinarik und kreative Stadtideen sucht, wird in der Unesco-Welterbestadt fündig.
Graz liegt im Süden Österreichs am Fuße des steilen Schlossbergs an den Ufern der Mur. Gleichzeitig steht der Ort im Schatten von Wien, Salzburg oder Innsbruck, die als Städtereiseziel viel bekannter sind und deutlich mehr Touristen anziehen.
Dabei ist die Hauptstadt des Bundeslandes Steiermark mit 305.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Österreichs. Davon sind mehr als 63.000 Studierende, die eine der vielen Universitäten, Hochschulen und Bildungseinrichtungen besuchen, was besonders zur jugendlichen Atmosphäre in der Stadt beiträgt.
Dazu der Kontrast: Graz hat eine beeindruckende, historische Bausubstanz: Seit 1999 gehört die Altstadt mit Bauwerken aus Gotik, Renaissance, Barock und der Habsburger Zeit zum Unesco-Welterbe. Der "besterhaltene Stadtkern Mitteleuropas", so die Begründung, eignet sich ideal zum Bummeln und Entdecken der vielen Hinterhöfe. In den italienisch anmutenden Arkadengängen verbergen sich kleine Läden und Gasthäuser. Typisch sind auch die Pawlatschen, die offenen Holzbalkone, zu denen aus den offenen Hinterhöfen eine Stiege führt.
Graz kulinarisch
Der Kern der Altstadt ist seit Langem autofrei und die Benutzung der Straßenbahn im Zentrum kostenlos. Breite und viel genutzte Fahrradwege führen in andere Stadtteile. Mit der "Radoffensive Graz 2030" wird die umweltfreundliche Infrastruktur weiter ausgebaut, eines der Ziele der Grazer Stadtregierung. Diese wird seit 2021 von Bürgermeisterin Elke Kahr von der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) und der Vizebürgermeisterin Judith Schwentner von den Grünen angeführt.
Graz erweist sich als eine sinnliche und genussreiche Stadt. Auch ohne Ortskenntnis landet man früher oder später auf einem der 19 Bauernmärkte, etwa am Lendplatz oder dem Kaiser-Josef-Markt. Hier wird Regionalität geboten, füllen Hausfrauen ihre Körbe mit dem Grazer Krauthäuptel, einem Salat, erstehen Obstsäfte und das für die Steiermark berühmte steirische Kernöl.
Sogar Küchenchefs der fast 30 mit Gault-Millau-Hauben gekrönten Restaurants decken sich hier mit frischer Ware ein. Filialen amerikanischer Schnellrestaurantketten müssen vor den Toren der Stadt bleiben. Dafür bieten Institutionen wie der Stainzerbauer in einem Bürgerhaus von 1577 "gebratenes Seesaiblingfilet" und "Brüstchen vom Steierhendl". Für ein Schmankerl zwischendurch kann man ins vielbesagte Delikatessengeschäft Frankowitsch in der Stempfergasse einkehren oder man genießt einen "Käsekrainer" am Standl 5 auf dem Hauptplatz.
Dank der Anbaugebiete in der Südsteiermark gibt es eine reiche Auswahl an heimischen Weinen. Selbst auf dem Stadtgebiet wird seit Kurzem an den steilen Südhängen des Kehlbergs die Tradition des Weinanbaus wiederbelebt. Es gedeihen Sauvignon Blanc, Gelber Muskateller und Grauburgunder. "Falter Ego" nennt sich der Grazer Stadtwein.
Über die Mur und retour
Mit zwei markanten Bauwerken hatte Graz als Kulturhauptstadt 2003 ein Zeichen gesetzt: zum einen mit der silbernen Murinsel im Fluss, einem metallischen Hohlkörper des Designers Vito Acconci, der über Brücken die beiden Ufer miteinander verbindet. Die unverwechselbare Konstruktion dient auch als Café und kleines Freilufttheater und erinnert in den Gängen an die Struktur einer Doppelhelix.
Die nicht weniger erstaunliche Fassade des Kunsthauses ist ein weiterer Höhepunkt der Stadt. Das Haus, ein Entwurf von Peter Cook und Colin Fournier, wirkt mit seiner biomorphen Formensprache wie ein Urzeitwesen. Mit den 15 Lichteinlass-Noppen auf dem Dach ist der Bau spektakulärer als die Gegenwartskunst, die im Innern präsentiert wird. Der "Friendly Alien" gilt nach dem Uhrturm auf dem Schlossberg längst als zweites Wahrzeichen der Stadt.
Ein weiteres Beispiel für das Aufeinanderprallen von Modernem und Altem ist das Apartmenthaus Argos in der Grazer Burggasse. Nahe der Oper landete das Architektur-Ufo von Zaha Hadid. Ein Boardinghouse mit markanter Glubschaugen-Fassade, dessen Zimmer auch Touristen anmieten können.
Ausflüge ins Umland zu Arnold
Einen barocken Kontrapunkt dazu stellt Schloss Eggenberg dar, das in diesem Jahr sein 400-jähriges Jubiläum feiert. Das opulente Märchenschloss mit der Ausstellung "Ambition and Illusion" arbeitet die Epoche des Fürsten Hans Ulrich von Eggenberg auf, der im 17. Jahrhundert zum einflussreichsten Staatsmann unter Kaiser Ferdinand II. aufstieg.
Weiter westlich im grünen Umland locken das Ausflugsziel Thalersee und zwei Besonderheiten in der Gemeinde Thal. Die Pfarrkirche Heiliger Jakob erhielt in den 1990er-Jahren eine Erweiterung durch den Künstler Ernst Fuchs, der ein Gesamtkunstwerk im Stil des fantastischen Realismus schuf: einen knallbunten Kirchenraum mit Widderhorn-Griffen am Eingang, Kiesapplikationen und einem Swarovski-Altar.
Nebenan in der alten Pfarrkirche wurde 1947 ein Knabe getauft, dem Thal bald zu klein wurde und der nach der Schul- und Lehrzeit in Graz in die USA auswanderte. Das zweistöckige Haus, in dem er mit einfachem Plumpsklo aufwuchs, heißt jetzt Arnold Schwarzenegger Museum und ist bis unter das Dach vollgestopft mit Devotionalen des Bodybuilders. "Der Arnold hat immer von Amerika geträumt", erzählt Peter Urdl, der mit ihm die ersten vier Jahre die Schulbank teilte und heute noch mit ihm befreundet ist. "Er wollte schon als Kind ein Megastar werden und hatte eine klare Vision."
Star der Region wird kritisch gesehen
Regelmäßig besucht der bekannteste Sohn der Region Graz, der es bis nach Hollywood und zum Gouverneur von Kalifornien schaffte, den Ort seiner Kindheit.
Doch die Grazer sehen seine Karriere als Politiker kritisch. Als Schwarzenegger 2005 das Gnadengesuch eines zum Tode Verurteilten ablehnte, forderten Politiker der KPÖ und die Grünen die Umbenennung des Arnold-Schwarzenegger-Stadions. Noch bevor es zur Abstimmung im Stadtrat kam, entzog der Republikaner der Stadt Graz das Recht auf die Verwendung seines Namens. Das Grazer Fußballstadion firmiert nun als Merkur Arena.
Anreise ab Hamburg
Die Anreise wird Hamburgern leicht gemacht: Mehrmals in der Woche fliegt Eurowings vom Hamburg Airport Helmut Schmidt nonstop nach Graz. 1 Stunde und 50 Minuten dauert der Flug. Er ist ab 42,49 Euro zu haben. Wer lieber mit der Bahn reist, nutzt am besten die Nachtverbindung. Der Nightjet rollt täglich von Hamburg-Altona ab 19.56 Uhr nachts bis nach Wien. Dort kommt man am nächsten Morgen um 9.17 Uhr an. Dann geht es rund 2,5 Stunden weiter nach Graz. Die Kosten für die Bahnfahrt starten bei rund 90 Euro. Wer komfortabel im Schlafwagen reisen möchte, zahlt ab 260 Euro für die gesamte Tour.