Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Blockhaus-Erbin vor Gericht Entführung der Kinder wie im Thriller

Am Freitag startet der Prozess gegen Christina Block und weitere Beschuldigte am Landgericht Hamburg. Was als Sorgerechtsstreit begann, endete mit einer Entführung.
Es ist eine Geschichte, die eigentlich schon vor elf Jahren begann: 2014 trennten sich Christina Block, Erbin der Steakhauskette "Block House", und ihr Ehemann Stephan Hensel. Sie haben vier gemeinsame Kinder. 2018 folgt die Scheidung. Die Kinder teilen sich auf. Die älteste Tochter zieht zum Vater, die anderen Kinder leben zunächst bei der Mutter, das Sorgerecht wird geteilt.
Stephan Hensel zieht später nach Dänemark, wo die Kinder regelmäßig zu Besuch sind. Im August 2021 eskalierte die Situation: Nach einem Besuchswochenende bringt der Vater die beiden jüngsten Kinder, Klara und Theodor, entgegen der Absprache nicht nach Hamburg zurück. Der Kontakt der Kinder zur Mutter reißt ab. Ein weiterer Höhepunkt in einem jahrelangen, erbitterten Sorgerechtsstreit, der verschiedene Gerichte und Behörden in Deutschland und Dänemark beschäftigte.
- Fall Block: Anwalt will Gerhard Delling anzeigen
- "Sie ist unschuldig": Der neue Anwalt von Christina Block
Vater verweigerte Rückgabe der Block-Kinder
Zunächst erhielt Hensel in Hamburg das vorläufige Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Oberlandesgericht sprach es jedoch kurz darauf der Mutter zu und ordnete die Rückgabe der Kinder an. Der Vater verweigerte dies. Die Kinder blieben in Dänemark, während beide Eltern weiter um das Sorgerecht kämpften.
Die Mutter ließ nichts unversucht, ihre Kinder zurückzuholen. Dann kam es zu der entscheidenden Nacht, die nun das Hamburger Landgericht zu einem Mammutprozess veranlasst.
Die Entführung der Block-Kinder in der Silvesternacht
In der Silvesternacht von 2023/2024 werden die beiden Kinder knapp hinter der dänischen Grenze bei Flensburg von mindestens fünf maskierten Männern entführt. Laut der dänischen Polizei hatte sich die Familie bei einem Restaurant ein Silvesterfeuerwerk angesehen. Vater Hensel wird zusammengeschlagen, die Kinder werden durch einen Wald und über einen Bach getrieben, berichtet die "Zeit".
Dann werden ihnen Hände und Münder mit Tape-Band verklebt. Den gefesselten Theo wirft sich einer der Entführer über die Schultern, Klara wird vorwärts geschoben, sie fällt in den Matsch, berichtet die "Zeit" weiter. Die dänische Polizei ist schnell, der kleine Theo trägt einen Notfallknopf bei sich. Mit Suchhunden sind die Beamten den Entführern auf den Fersen.
Die Entführer verstecken sich mit ihren Opfern hinter Bäumen und sagen auf Englisch: "Seid leise, sonst töte ich euch", zitiert die "Zeit" die Aussagen der Kinder aus einem Protokoll des Landeskriminalamts. Danach werden sie in zwei Autos mit deutschen Kennzeichen verfrachtet. Theos Notfallsender überträgt die Situation der Kinder im Auto an die Polizei. Die Kinder weinen, stöhnen, schreien. Klara habe versucht, ihrem kleinen Bruder beizustehen, schreibt die "Zeit".
Auf der Flucht werden die Fahrzeuge gewechselt, es soll nach Baden-Württemberg gehen. In einer kleinen Stadt nordöstlich von Pforzheim werden die Kinder bis zum Eintreffen der Mutter festgehalten.
Christina Block ist angeklagt
Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Christina Block hat die Entführung veranlasst. Auch ihr Lebensgefährte, der ehemalige Sport-Journalist Gerhard Delling, ist angeklagt, er soll die Reise nach Baden-Württemberg und die Rückreise nach Hamburg organisiert haben. Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen Beihilfe angeklagt. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass auch eine Verurteilung als Mittäter in Betracht komme. Weitere Täter sollen die Entführung ausgeführt haben oder sind beteiligt.
Die Anklage lautet auf gemeinschaftliche schwere Entziehung von Minderjährigen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Der Mutter wird außerdem schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen vorgeworfen. Die Kinder hatten der Mutter noch in dem Versteck in Baden-Württemberg mitgeteilt, dass sie zurück zu ihrem Vater wollen, so steht es in der Anklageschrift. Die heute 14-jährige Tochter will im Prozess gegen die Mutter aussagen.
Nur einen Tag später, am 3. Januar 2024, besuchte die Polizei gemeinsam mit dem Jugendamt die Familie von Christina Block, nachdem sie schon am 2. Januar vor Ort in dem Haus in Hamburg gewesen waren. "Wir konnten uns davon überzeugen, dass die Kinder bei Frau Block sind und es ihnen augenscheinlich körperlich gut geht", sagte eine Polizeisprecherin am folgenden Tag.
Zwei Tage später werden die Kinder abgeholt. Das Hanseatische Oberlandesgericht hatte aufgrund eines Eilantrags des Vaters entschieden, dass die Kinder wieder zurückgegeben werden müssen. Das alleinige Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht ging auf den Vater über.
Monatelange Spionage
Stephan Hensel und seine zweite Ehefrau Astrid Have berichten, dass sie observiert wurden. An ihrem Haus, kurz hinter der dänischen Grenze – ein roter Backsteinbau mit Rosen, wie die "Zeit" schreibt" – hätten sie bereits im März 2023 zwei Kameras entdeckt. GoPros mit Powerbanks und angeschlossenen Handys, die volle Observation.
Ermittler des Hamburger Kriminalamts fanden auf den Telefonen E-Mails zum Sorgerechtsstreit zwischen Block und Hensel. Auch zwei der mutmaßlichen Entführer werden in Nachrichten namentlich erwähnt. Die Nachrichten stammten zum einen von einem Mitglied einer israelischen Sicherheitsfirma, der beschuldigt wird, die Kinder entführt zu haben. Und von Christina Block.
Christina Block wird als "Lady B." bezeichnet
Im Zuge der Ermittlungen finden die Beamten immer mehr Hinweise auf Christina Block, die mitunter als "Lady B." bezeichnet wird. In den Notizblöcken der mutmaßlichen Entführer werden Skizzen zum Haus und zu einer benachbarten Garage entdeckt. Genau dort findet Astrid Have im September 2023 in einem Tauchsack eine Festplatte.
Darauf: Fast 700 Dateien, die zeigen, wie Kinder vergewaltigt werden oder sexuelle Gewalt gegen Jugendliche ausgeübt wird. Die "Zeit" berichtet, dass die Ermittler das Material als gefälscht einstuften. Offenbar sollte es dem Vater Hensel und dessen Rechtsanwalt, Gerd Uecker, der ihn im Sorgerechtsstreit vertritt, untergeschoben werden.
Christina Block geht Anfang Oktober zu ihrem Anwalt und informiert ihn über das Material, das mutmaßlich bei Hensel deponiert wurde. Er rät ihr, zur Polizei zu gehen. Das tut sie. Heute glauben die Ermittler, dass das pädokriminelle Material von der Firma gefälscht wurde, die auch die Kinder entführt hat.
Wie aus einem Spionagefilm
Doch wer sind diese Männer, die die Kinder entführten? Laut den Ermittlern kam der Kontakt zwischen dem Anwalt der Familie Block und den mutmaßlichen Kindesentführern über einen "leitenden Mitarbeiter" am Hamburger Hafen zustande, wie die "Zeit" berichtet. Er habe in Kontakt mit einem Israeli gestanden, der auf Visitenkarte als Geschäftsführer von Black Cube ausgewiesen wird. Diese Firma sei als Spionageunternehmen von ehemaligen israelischen Geheimdienstmitarbeitern gegründet worden, die wie ein Nachrichtendienst aufgezogen sein soll.
Neben dem Hafenmitarbeiter und dem israelischen Spionagemann ist auch eine Verwandte von Christina Block angeklagt. Sie soll dabei geholfen haben, die Kinder von einem Bauernhof in Süddeutschland, wo die Kinder nach der Entführung auf ihre Mutter trafen, wieder zurück nach Hamburg zu bringen. Dafür soll sie einen Wagen bereitgestellt haben. Laut der Verwandten ist sie von Christina Block per SMS über Ankunft der Kinder und den weiteren Ablauf instruiert worden.
So will sich Christina Block verteidigen
Die Verteidiger von Christina Block weisen alle Vorwürfe zurück. Einer von Blocks Verteidigern, Otmar Kury, wirft der Staatsanwaltschaft Voreingenommenheit, nicht nachvollziehbare Verdächtigungen und Rechtsfehler vor. Er betont: "Frau Block ist eine absolut rechtstreue Persönlichkeit!" Der Vater habe die Kinder 2021 nach Dänemark entführt.
Wer in den Augen Christina Blocks für die Entführung verantwortlich ist, ist nicht ganz klar – sie hat verschiedene Theorien über ihre Anwälte verbreiten lassen. Angeblich soll ihre vor zwei Jahren verstorbene Mutter Christa die Kinder entführt haben. "Nach den durch Frau Block und mich geführten Ermittlungen wurde festgestellt, dass die Großmutter, die ihre Enkel liebte, und unter der rechtswidrigen Entführung der beiden Enkel schwerste, psychische Schäden erlitten hatte, den Auftrag wohl erteilt hatte, die Kinder aus Dänemark wieder zurückzuholen", sagte Kury der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg im Mai.
"Geschäfte mit der Hoffnung und der Angst meiner Mandantin"
In der vergangenen Woche präsentierte Christina Blocks zweiter Verteidiger, Ingo Bott, eine weitere Theorie: "Verantwortlich dafür war eine Gruppe von Personen, die zuvor Sicherheitsdienstleistungen für das Unternehmen der Familie Block erbracht hatte", hieß es in einer Mitteilung. "Es spricht viel dafür, dass es dieser Gruppe darum ging, Geschäfte mit der Hoffnung und der Angst meiner Mandantin zu machen." Christina Block habe diese Aktion nicht veranlasst.
Das Hamburger Landgericht verhandelt den Entführungsfall ab dem 11. Juli. Angesetzt sind 37 Verhandlungstage. Demnach könnte ein Urteil noch in diesem Jahr fallen, am 22. Dezember. Eine Woche später ist der zweite Jahrestag der Entführung.
- Eigene Recherchen
- zeit.de: Das Netz der Lady B
- t-online.de: Das passiert jetzt im XXL-Prozess gegen Block und Delling
- hamburg.t-online.de: Fall Block: Anwalt will Gerhard Delling anzeigen
- hamburg.t-online.de: "Sie ist unschuldig": Der neue Anwalt von Christina Block
- mit Material der Nachrichtenagentur dpa