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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hamburger Werft restauriert "Nahlin" Auf dieser Jacht turtelten schon Edward VIII. und Wallis Simpson
In Hamburg liegt seit Monaten eine Jacht mit bewegter Geschichte, die einst dem englischen Königshaus einen Skandal bescherte. Worauf wartet sie dort? Die Werft hüllt sich in Schweigen – schließlich ist der Kunde ein weltbekannter Milliardär.
Die 1930 als Dampfjacht erbaute "Nahlin" liegt seit Monaten bei der Hamburger Werft Blohm+Voss im Dock 6 und ist mittlerweile komplett eingehüllt. Dort soll sie generalüberholt werden, die Werft hält sich zu Details bedeckt. Das fast 92 Meter lange Schiff gehört dem britischen Milliardär und Erfinder Sir James Dyson (74). Seine fast 100 Jahre alte Jacht hat eine bewegte Geschichte hinter sich.
Dyson ist laut dem US-Wirtschaftsmagazin Forbes mit einem Vermögen von etwa 3,8 Milliarden US-Dollar auf Platz 274 der Liste der reichsten Menschen weltweit. Er hat das gleichnamige Unternehmen, das mit Staubsaugern groß wurde, gegründet, war lauter Befürworter eines ungeregelten Brexits und soll beste Verbindungen zum britischen Premierminister Boris Johnson pflegen.
Jacht von Dyson-Gründer wurde bereits von Blohm+Voss restauriert
14 Gäste sollen auf der "Nahlin" Platz finden, weit weniger als Crewmitglieder: Für Bedienstete sind fast 50 Plätze vorgesehen, berichtet das Fachportal "Superyacht Times". Der Stahlkoloss ist bereits bei einer früheren Restaurierung durch Blohm+Voss mit Dieselmotoren ausgestattet worden.
Dyson besitzt die "Nahlin" aber erst seit dem Jahr 2006. Vorher hat sie eine bewegte Geschichte erlebt; wurde für Lustreisen genutzt, im Zweiten Weltkrieg eingesetzt und wiederentdeckt. Gebaut wurde die Jacht ursprünglich für Lady Annie Henrietta Yule im schottischen Clydebank, einer Hafenstadt vor den Toren Glasgows. Damals wurde sie von vier Dampfmaschinen angetrieben und galt als eine der größten und teuersten Jachten ihrer Zeit.
Ihre wohl spannendste Episode erlebte die "Nahlin" im Jahr 1936 auf einer Lustreise des damaligen Königs des Vereinigten Königreiches, König Edward VIII., der nicht einmal ein ganzes Jahr auf dem Thron bleiben sollte. Die "Nahlin" spielte eine entscheidende Rolle bei seiner Abdankung im Dezember 1936.
Königliches Liebesspiel auf dem Mittelmeer: König Edward VIII. charterte die "Nahlin"
Schon vor seiner Krönung im Januar 1936 hatte Edward eine Beziehung mit der zum zweiten Mal verheirateten US-Amerikanerin Wallis Simpson, was im königlichen London für Ungemach sorgte. Für eine Reise mit Simpson im Mittelmeer charterte er im August 1936 die "Nahlin". Die britische Tageszeitung "Guardian" nennt die Kreuzfahrt ein "unvermeidliches Kapitel" in der Geschichte Edwards kurzer Herrschaft.
Wie der "Guardian" schreibt, mietete Edward die "Nahlin" von Lady Yule, um in Ruhe mit seiner Freundin verreisen zu können. Das sei jedoch schiefgegangen: Als der König mit seiner Freundin im kroatischen Sibenik an Bord gehen wollte, war eine große Menge Schaulustiger vor Ort, US-Medien berichteten. Die Presse im Königreich schwieg. Auf See sei die "Nahlin" zum Schutz Edwards von zwei Zerstörern der Royal Navy begleitet worden.
Dampfjacht "Nahlin" wurde an rumänischen Herrscher verkauft
Weil der König seine mittlerweile zweifach geschiedene Partnerin unbedingt heiraten wollte, dankte er auf Druck des politischen Establishments und der Church of England ab. Edward und Wallis Simpsons heirateten im darauffolgenden Jahr und lebten gemeinsam bis zu seinem Tod im Jahr 1972.
Die Besitzerin der "Nahlin", Lady Yule, verkaufte das Schiff im Jahr 1937 an Karl II. von Hohenzollern-Sigmaringen, damals König von Rumänien. Der "Guardian" schreibt von enormen Ausgaben Lady Yules für eine mehrjährige Weltreise und fehlgeschlagenen Investitionen in die britische Filmindustrie.
In den Wirren des Zweiten Weltkrieges verliert sich die Spur der Jacht zusehends, auch weil König Karl II. zum Spielball der Kriegsmächte wurde, viel Land verlor und nach seiner Abdankung im September 1940 ins Exil flüchtete. Die "Nahlin" ging in staatlichen Besitz über, war als "Perle" repräsentativer Teil der Marineflotte und wurde später in ein Museum umgewandelt.
Die "Nahlin" verrottete jahrzehntelang auf der Donau
In dieser Zeit wurde das Schiff häufiger umbenannt und landete in der rumänischen Donau-Stadt Galați. Das rumänische Nachrichtenportal "Mediafax" schrieb 2010 zum Werdegang der Jacht: "In den folgenden Jahren wurde die Nahlin mehrmals gekauft und verkauft, bis sie ihren Tiefpunkt erreichte – als schwimmendes Restaurant auf der Donau."
Erst in den 1990er Jahren, nach dem Ende des Kommunismus in Rumänien, erlangte die "Nahlin" neue Aufmerksamkeit. Ein britischer Jachten-Händler soll das heruntergekommene Schiff auf der Donau wiedergefunden haben. Der Verkauf verlief aus rumänischer Perspektive "zweifelhaft", wie die rumänische Tageszeitung "Adevărul" schrieb. Für 265.000 Dollar sei die Jacht durch ein staatliches Unternehmen "als Schrott verkauft" worden.
Ermittlungen in Rumänien zum Verkauf der "Nahlin"
Kurz nach dem Verkauf an den britischen Händler im Jahr 1999 habe dieser die "Nahlin" bereits für eine Million Dollar zum Weiterverkauf angeboten, so die Tageszeitung. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen eines vermeintlich illegalen Verkaufs des Kulturguts seien ergebnislos geblieben.
Bis 2005 wurde die Jacht dann in Großbritannien von dem Konstruktionsbüro, das die "Nahlin" mehr als 75 Jahre zuvor entworfen hatte, restauriert. "Sie war in einem bedrohlichen Zustand, aber trotz der Vernachlässigung strahlte Nahlins Schönheit durch", schreibt die Werft G.L. Watson & Co auf ihrer Webseite. Auf Anfrage von t-online heißt es aus Glasgow: "Wir können nichts unterstützen, was mediale Aufmerksamkeit auf die Nahlin lenkt. Wenn es eine andere Jacht wäre, wäre es einfacher, Ihnen zu helfen."
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An den Arbeiten ab 2005 seien Firmen aus ganz Europa beteiligt gewesen, auch solche, die schon am Bau der "Nahlin" mitgewirkt hatten. Die Hauptarbeiten fanden zunächst bei der Nobiskrug-Werft in Rendsburg, später bei Blohm+Voss in Hamburg statt. 2010 war die Restauration abgeschlossen. Seitdem fährt die "Nahlin" wieder unter britischer Flagge.
Wann die "Nahlin" wieder in See sticht und möglicherweise ihre nächste Weltreise ansteht, ist nicht bekannt. Ihr jetziger Besitzer Sir James Dyson hält sich mit Persönlichem in der Öffentlichkeit zurück. Welche Pläne er mit der historisch wertvollen Jacht hat, kommuniziert er nicht. Auch Blohm+Voss macht auf Anfrage keine Angaben zu den Arbeiten an der "Nahlin". Ihr letztes Signal aus dem Hamburger Dock stammt von Anfang März 2022.
- theguardian.com: "From Edward VIII to James Dyson: the yacht that tells a tale of British wealth" (Englisch)
- Jacht "Nahlin" auf superyachttimes.com
- James Dysons Profil auf forbes.com
- adevarul.ro: "Von Rumänen als Altmetall verkauft und von den Engländern in ein Superschiff verwandelt" (Rumänisch)
- mediafax.ro: "Die königliche Jacht Nahlin" (Rumänisch)
- Die Geschichte der Nahlin auf der Webseite von G.L. Watson & Co (Englisch)
- Anfrage bei Blohm+Voss
- Eigene Recherchen