Experten geben Antwort Wann geht die Insel Sylt unter?
Jedes Jahr verliert die Insel Sylt an Fläche. Experten berechnen, wann die Insel womöglich ganz verschwindet.
Die Insel Sylt schrumpft: Peitschende Winterstürme tragen jedes Jahr einen Teil der Küste ab, der Sandstrand wird immer schmaler. Dazu kommt der steigende Meeresspiegel. Die Folgen des Klimawandels bedrohen die Existenz der Insel, die wohl wie kaum eine andere Hamburger anzieht. Aber kann Sylt wirklich in absehbarer Zeit in den Fluten der Nordsee untergehen?
Jedes Jahr verkleinert sich die Insel um ein bis zwei Meter, sagte Ekkehard Klatt, Geologe auf Sylt, schon vor über zehn Jahren zur "Süddeutschen Zeitung". Die Südspitze Hörnum Odde verlagert sich sogar um bis zu 40 Meter pro Jahr, wie das "Hamburger Abendblatt" im Jahr 2021 berichtete. Seit mehreren Jahren versucht die Insel-Verwaltung, diese Entwicklung durch aufgeschütteten Sand abzumildern. Ohne solche Maßnahmen wäre die Insel irgendwann nicht mehr da, erklärte 2021 die Direktorin des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz gegenüber des NDR.
Wissenschaftler um Michalis Vousdoukas von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission im italienischen Ispra veröffentlichten im Juni 2018 im Fachjournal "Nature Climate Change" ihre Erkenntnisse: Basierend auf Veränderungen der Küstenlinien auf Satellitenaufnahmen könnte bis zum Ende des Jahrhunderts im Zuge des Klimawandels etwa die Hälfte aller Sandstrände weltweit verschwinden. Laut dem Szenario würde ein Temperaturanstieg um 4,8 Grad extreme Folgen haben: Der Meeresspiegel würde so stark ansteigen, dass die Küstenlinie an den Stränden um 99,2 und bis zu 246,9 Meter zurückweichen würde.
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Auch Geologe Klatt hat für die Insel eigene Szenarien entworfen: für einen Anstieg des Meeres um einen, um drei und um fünf Meter, erzählt er dem "Deutschlandfunk". Laut Klatt würde Sylt in seiner heutigen Form komplett verschwinden. Er beschreibt seinen Modellversuch: "Dann sind es tatsächlich noch die hoch gelegenen Geestbereiche, Kampen, und wir sehen auch sehr schön das Morsum-Kliff, was dort als Solitärbereich übrig bleibt. Die großen Dünenbereiche in List können wir auch erkennen, die entsprechenden Dünenketten bis nach Hörnum runter bleiben als schmaler Streifen erhalten."
Experte: Sylt verschwindet in 2.000 bis 3.000 Jahren im Meer
Dass die Insel aber in naher Zukunft verschwindet, ist kaum denkbar. "Es wird so weit kommen, dass die Insel irgendwann weg ist, das sind aber normale Veränderungen", beruhigt Klatt in der "SZ". Seiner Meinung nach würden in 2.000 bis 3.000 Jahren nur noch Zipfel aus dem Meer ragen, die auf einer Landkarte den Namen Sylt tragen würden. "Der Meeresspiegelanstieg von 50 Zentimetern bis zum Jahr 2100, sage ich jetzt mal ganz platt, das ist es nicht, was Sylt bedroht – auf gar keinen Fall", so Klatt zum "Deutschlandfunk".
Klatt, aber auch weitere Experten, glauben, dass es nicht der Meeresspiegelanstieg allein ist, sondern Extremereignisse wie schwere Stürme oder Orkane. "Bis zur Mitte des Jahrhunderts wird Sylt einigermaßen sicher sein – jenseits von 2050 kann es bei Extremszenarien tatsächlich dann schon langsam kritisch werden", sagt der Klimaforscher Mojib Latif vom Kieler Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung zum "Deutschlandfunk".
Sylt in Gefahr bei steigendem Meeresspiegel
"Wenn wir tatsächlich so etwas wie einen Meter Meeresspiegelanstieg bekommen, dann wird es schwierig für Sylt. Man darf ja nicht vergessen: Die Sturmfluten werden dann eben auflaufen auf einem Meeresspiegel, der ohnehin schon deutlich höher ist, sodass die Schäden dann eben überproportional groß sein werden."
Die exponierte Lage der Insel, der stetige Wellengang, Stürme und der steigende Meeresspiegel sind einige Baustellen für die Nordseeinsel. Doch der Küstenschutz auf Sylt arbeitet unentwegt gegen die Auswirkungen an.
- deutschlandfunk.de: "Sicherheit auf Zeit"
- sz.de: "Wann wird Sylt verschwunden sein?"
- nature.com: "Global probabilistic projections of extreme sea levels show intensification of coastal flood hazard"
- abendblatt.de: "Sylt: Die Südspitze verlagert sich um 40 Meter pro Jahr"
- Eigene Recherche