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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aktivist Jörn Menge "Wir können Hamburg nicht von Rassismus reinwaschen"
Seit rund einer Woche führt der Rassismus-Eklat auf einer Sylter Party zu Diskussionen. Jörn Menge vom Hamburger Verein "Laut gegen Nazis" meint, dass Rassismus längst salonfähig sei. t-online hat mit ihm gesprochen.
Alkohol, gute Laune und Nazi-Gesänge: All das kommt derzeit zusammen, wenn Feiernde zum Lied "L’amour toujours" nicht den Liedtext, sondern rassistische Parolen anstimmen. Das passierte zuletzt vielerorts – etwa auf Dorfpartys in Niedersachsen, beim Schlagermove in Hamburg und auf Sylt. Letzterer Vorfall erntete bislang die meiste Aufmerksamkeit, denn ein Video des Rassismus-Eklats auf Sylt verbreitete sich in den sozialen Medien.
Seitdem werden Namen, Bilder, Arbeitsplätze und Telefonnummern der Personen veröffentlicht, die im Video zu sehen sind. Politiker positionierten sich, bundesweit werden Konsequenzen gefordert, Jobs wurden gekündigt.
Der Ex-Musikmanager und Aktivist Jörn Menge befasst sich bereits seit vielen Jahren mit rassistischen Vorfällen. Vor zwei Jahrzehnten gründete er den Hamburger Verein "Laut gegen Nazis" und leistet seitdem Aufklärungsarbeit. t-online hat mit ihm über Partyrassismus und Mitläufer gesprochen – und über die Frage, ob die geforderten Konsequenzen die Richtigen treffen.
t-online: Herr Menge, würden Sie sagen, dass Partyrassismus genauso gefährlich ist wie beispielsweise Attacken auf Wahlhelfer oder ähnliche rechtsextreme Aktionen?
Jörn Menge: Im Vergleich zu einigen anderen rechtsextremen Vorfällen erscheint das Gegröle auf Partys natürlich weniger gefährlich. Das heißt aber nicht, dass es ungefährlich ist. Musik ist ein Instrument, das Emotionen weckt. Insbesondere rechtsextreme Gesänge, wie die in dem Video, sind mitreißend. Wenn zehn anfangen, singen plötzlich 100 mit.
Sie sagten es gerade: Viele, die mitsingen, sind Mitläufer. Aber auch für die werden harte Strafen gefordert. Ist das fair?
Wer "Deutschland den Deutschen" singt und "Ausländer raus", der weiß genau, was er da singt. Es beweist, dass die Rhetorik der Rechtspopulisten Anklang findet. Und auch wenn man unbedarft mitmacht und sich über den Inhalt wenig Gedanken bereitet, hat das Verhalten Konsequenzen. Insbesondere für die Betroffenen, die darunter leiden. Dafür gibt es keine Entschuldigung.
Eine Hamburger Studentin soll von der Uni fliegen, nachdem sie in dem Sylt-Video zu sehen war. Ist das also angemessen?
Das muss die Universität für sich selbst entscheiden. Denn man weiß gar nicht, wie sich diese Person in der Uni verhält. Es ist möglich, dass sie rechtsextremes Gedankengut an der Institution weiter vermehrt. Das kann sich wie ein Virus ausbreiten. Grundsätzlich aber, als Zeichen, finde ich es erst mal gut.
Die Studentin war nicht die einzige in der Gröl-Gruppe, die aus Hamburg kommt. Sie sind hier mit Ihrem Verein seit 20 Jahren aktiv. Hat der besser situierte Nachwuchs in Hamburg ein Rassismus-Problem?
Studien zeigen, dass sich bundesweit mehr und mehr junge Menschen zur AfD hingezogen fühlen. Man kann davon ausgehen, dass unter ihnen auch durchaus gut situierte Personen sind. Rassismus ist wieder salonfähig. Das ist jedoch eine bundesweite Entwicklung. Da gibt es hier keine Ausnahme. Wir können Hamburg nicht von Rassismus reinwaschen.
- Wahl-O-Mat zur Europawahl 2024: Welche Partei passt zu Ihnen?
Glauben Sie, dass sich etwas verändern wird durch die Videos und die Debatten darüber?
NSU, Hanau, Chemnitz – es gab viele Fälle, die dazu führten, dass Menschen gegen Rassismus auf die Straße gegangen sind. Die Bewegungen schliefen jedoch immer wieder ein. Was jetzt wichtig wird, ist die Wahlentscheidung gegen rechts bei der Europawahl. In der Vergangenheit zeichnete sich leider ab, dass viele Menschen desinteressiert sind, was das Thema betrifft. Anders als die Rechten – die gehen wählen. Die anhaltenden Proteste kurz vor der Wahl, können jedoch Hoffnung machen, dass wir vielleicht noch Menschen zum Wählen motivieren. Unsere Bitte: Geht demokratisch wählen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Menge.
- Gespräch mit Jörn Menge am 29. Mai 2024
- Eigene Artikel bei t-online