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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Grüne Spitzenkandidatin "Wer kein Bleiberecht hat, muss gehen"
Katharina Fegebank will Hamburg künftig als Erste Bürgermeisterin regieren. Im Interview mit t-online spricht die Grünen-Politikerin über ihre Lieblingsorte, das Ampel-Aus und Abschiebungen.
Seit zehn Jahren regiert Katharina Fegebank mit den Grünen Hamburg bereits als Juniorpartnerin an der Seite der SPD. Erst war Olaf Scholz Bürgermeister, seit 2018 ist es Peter Tschentscher. Wenn am 2. März um 18 Uhr die erste Prognose zur Bürgerschaftswahl kommt, will die 47-Jährige mit ihrer Partei die Nummer 1 der Stadt sein.
Was unter ihrer Führung anders laufen würde, was sie an der rot-grünen Koalition schätzt, wie schwierig der Doppelwahlkampf in diesem Winter ist, wann Abschiebungen auch für die Grünen notwendig sind und ob sie sich vor Elon Musk fürchtet, darüber hat Katharina Fegebank im Interview mit t-online gesprochen.
t-online: Frau Fegebank, mal angenommen, Sie wären Touristenführerin: Welche drei Orte in Hamburg empfehlen Sie, um die Stadt kennenzulernen?
Katharina Fegebank: Die Elbe ist ein absoluter Sehnsuchtsort für mich, weil sie die Lebensader der Stadt ist und gleichzeitig für Freiheit steht. Den Ohlsdorfer Friedhof finde ich beeindruckend: Es ist der größte Parkfriedhof der Welt und er strahlt für mich das Grüne in einer hochverdichteten Industriemetropole aus. Als dritten Ort nehme ich die Science City in Bahrenfeld. Dort treffen sich Tausende internationale Wissenschaftler, um gemeinsam an den Ideen von morgen zu arbeiten. Für mich ist das ein faszinierender Zukunftsort, den jeder gesehen haben sollte.
Der Slogan Ihrer Kampagne lautet "Herz. Verstand. Fegebank". Was genau wollen Sie damit ausdrücken?
Herz und Verstand ist der Ansatz, mit dem wir Grünen in den vergangenen zehn Jahren Hamburg mitregiert und mitgestaltet haben: Nah dran an den Menschen und ihren Themen, gleichzeitig packen wir Dinge mit Leidenschaft, kühlem Kopf und klaren Ideen an.
Wie würde eine Bürgermeisterin mit Herz und Verstand Hamburg führen?
Sehr nah an den Menschen und mit ihnen auf Augenhöhe. Ich traue den Hamburgerinnen und Hamburgern mehr zu und würde mit ihnen die Zukunft unserer Stadt gestalten. Gleichzeitig würde ich zeigen: Auf uns können sich die Menschen verlassen, uns können sie vertrauen. Wir würden auch weiterhin keine Zeit mit Streit und Eitelkeit verlieren, wir machen. Das ist unsere Verpflichtung für die Stadt.
SPD und Grüne regieren Hamburg jetzt seit 2015. Woran liegt das, dass Ihre Parteien in Hamburg so geräuschlos zusammenarbeiten?
Wir haben geliefert. Wir haben eine Stadt, die funktioniert. Hamburg hat die Kraft, in die Infrastruktur zu investieren und nicht stehenzubleiben, sondern Antworten auf die Fragen der 2030er und 2040er zu bieten. Das ist allerdings kein Selbstläufer, wir müssen uns jeden Tag anstrengen, unsere Demokratie stabilisieren, unsere Freiheit verteidigen.
Macht es eine solche stabile Regierung für Sie nicht schwerer, herauszustechen? Ihr Ziel dürfte ja Grün-Rot sein?
Genau. Wir regieren erfolgreich und vertrauensvoll miteinander. Doch ich traue mir noch mehr zu. Wir haben viel angeschoben, dürfen aber nicht stehen bleiben.
Das heißt?
Wir müssen bei Genehmigungen schneller werden, müssen in der Digitalisierung vorankommen. Hamburg soll noch mehr "the place to be" für Innovationen sein. Damit schaffen wir die Arbeitsplätze von morgen und können wieder in Bildung, in Mobilität, in Innovationen und in Klimaschutz investieren.
Bei Wahlen sind Sie bisher immer zweite Gewinnerin geworden. Dort sehen die Umfragen Sie auch aktuell. Woher nehmen Sie die Motivation, wieder als Spitzenkandidatin anzutreten?
Ich liebe das, was ich tue. Für mich ist es jeden Tag eine Freude, als Senatorin und Bürgermeisterin unterwegs zu sein. Gerade bin ich fast täglich an der Universität und der TU und habe feuchte Augen, wenn ich sehe, wie gigantisch die Potenziale sind, die wir als Stadt haben. Da kommen Leute aus Oxford oder Tel Aviv und entscheiden sich dazu, mit ihren Familien nach Hamburg zu ziehen, weil sie sagen: "Hier habe ich die besten Bedingungen". Das ist für mich Antrieb und Ansporn.
Ist dieser doppelte Wahlkampf anstrengender als üblich?
Wahlkämpfe sind immer anstrengend. Oft ist das aber etwas Positives, dieser andauernde Adrenalinschub über mehrere Wochen motiviert mich extrem. Klar, es gibt währenddessen wenig Zeit für die Familie und die Kinder.
Aktuell geht es allerdings viel um die Bundestagswahl und weniger um die Wahl in Hamburg ...
Die Hamburger sind so plietsch, die wissen, für wen oder was sie abstimmen, obwohl die Wahlen so dicht beieinanderliegen. Wir versuchen, aus diesem Doppelwinterwahlkampf Synergien zu ziehen, unter anderem haben wir unsere Bundestagskandidierenden in die Kampagne zur Bürgerschaft einbezogen. Der Wahlkampf kann nur in einem starken Team gelingen. Ich kann mich zu 100 Prozent auf die Leute verlassen, die mich tragen – und manchmal vielleicht auch ertragen.
Haben Sie einen Masterplan, um die SPD noch zu überholen?
Wir nehmen das ganz sportlich und sagen: Wir spielen auf Sieg und nicht auf Platz. Vor ein paar Monaten hätten wir noch darüber gesprochen, wie schlecht es um die Grünen insgesamt bestellt ist. Seit dem Ampel-Aus hat sich der Wind wieder gedreht. Die Zustimmungswerte steigen. Wir haben einen Kanzlerkandidaten, dem die Herzen zufliegen, der sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Friedrich Merz in der Kanzlerfrage liefert. Wir werden von einer Welle von Menschen getragen, die es leid sind, unser Land und unsere Stadt schlechtzureden und Hoffnung und Zuversicht haben.
Wer profitiert denn von wem: Die Bundes-Grünen von Hamburg oder andersherum?
Unser Plan war eigentlich, die Grünen zurück auf die Karte zu packen und Anlauf zu nehmen für die Bundestagswahl im Spätsommer. Nun ziehen wir einander und ich finde, dass das aufgeht. Wir haben 30 Prozent mehr Mitglieder: Vor einem Jahr lagen wir noch bei 4.200, jetzt sind es 5.600, und Hunderte Anträge konnten noch gar nicht bearbeitet werden. Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, reagieren die Menschen ermutigend und kämpferisch. Das motiviert.
Sie haben die Ampel mitverhandelt. Wie stehen Sie zum Aus?
Wir haben uns über Jahre darauf verlassen, dass die USA unsere Sicherheit garantieren, dass China ein wichtiger Absatzmarkt ist und Russland günstige Energie liefert. Das ist alles weg. Wir hätten eine stabile Regierung gebraucht, doch die war dann nicht mehr da. Die Frage ist nicht: Wer ist der blödeste Ampelversager, sondern was ist das Beste für Deutschland. Inhaltlich hat die Ampel an vielen Stellen geliefert. Aber das Bild, das sie abgegeben hat, dieser Dauerstreit, diese transportierte Schwäche, das war nicht gut.
Robert Habeck hat sich klar zu Abschiebungen in ein sicheres Syrien positioniert: Wer keine Arbeit hat, wird abgeschoben. Das hat Kritik hervorgerufen, ihm wurde Annäherung an die CDU unterstellt. Wie sehen Sie das?
Erst einmal ist es eine große Erleichterung, dass dieses Schreckensregime vorbei ist. Viele Menschen, die jetzt in Deutschland leben, schauen gespannt auf die Entwicklung. Das könnte dafür sorgen, dass viele freiwillig zurückgehen, um ihr Land mitaufzubauen.
Dann gehen aber auch die Fachkräfte ...
Daher müssen wir darum werben, dass die Syrerinnen und Syrer in Deutschland bleiben, die unsere Wirtschaft, unser Gesundheits- und das Bildungssystem stärken. Das Recht auf Asyl dürfen wir nicht infrage stellen, es ist Teil grüner DNA. Aber: Wir brauchen Humanität und Ordnung, wollen als Land wissen, wer bei uns ist. Wer kein Bleiberecht hat, muss gehen.
Nach dem Gespräch von Elon Musk und Alice Weidel: Wie sehr muss man inzwischen Einflüsse auf Wahlen von außen fürchten?
Was Herr Musk als Privatperson tut und sagt, könnte uns herzlich egal sein. Falls es sich bei dem Gespräch um illegale Parteienfinanzierung handelt, muss man dagegen vorgehen.
Ich beobachte seit einiger Zeit darüber hinaus eine zunehmende Einflussnahme durch gesteuerte Algorithmen oder Trollarmeen, die bewusst manipulieren und Desinformation verbreiten. Die Korrekturen verpuffen oft. Das ist eine große Gefahr für die Demokratie.
Also weniger Internet im Wahlkampf wagen?
Aber ein Rückzug aus den sozialen Medien ist keine Option. Wir müssen mit offenem Visier und klugen, manchmal humorvollen Dingen die Aufmerksamkeit auf uns ziehen. Es ist wichtig, früh mit Aufklärung und Medienbildung zu starten, um zwischen Fakes und Wahrheit zu unterscheiden.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Fegebank.
- Interview mit Katharina Fegebank