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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Extremismus und Sadismus Er trieb ein Kind in den Tod: Was über "White Tiger" bekannt ist

Am vergangenen Dienstag stürmte das SEK in seine Wohnung und nahm Shahriar J. fest – ihm wird Mord vorgeworfen. Nun sind neue Details über seine Vergangenheit bekannt, auch sein Vater meldet sich zu Wort.
Wie kommt ein junger Mensch dazu, andere Jugendliche und Kinder zu foltern und zu quälen –mutmaßlich sogar bis zum Tod? Wie kann es sein, dass ein Mensch, der augenscheinlich wohlbehütet und finanziell sicher aufgewachsen ist, in den grausamsten Ecken des Internets landet? Und ist es möglich, dass scheinbar weder Familie noch Freunde davon mitbekommen haben – oder eingeschritten sind?
Der Fall des 20-Jährigen, der am vergangenen Dienstag in Hamburg festgenommen wurde, wirft viele Fragen auf. Die Taten, die ihm vorgeworfen werden, machen fassungslos – er soll psychisch labile Kinder gezielt manipuliert und zu Selbstverletzungen getrieben haben. Zudem wird ihm Mord an einem 13-jährigen US-Amerikaner vorgeworfen, der vor laufender Kamera Suizid begangen hat. t-online fasst zusammen, was bisher über den Hamburger bekannt ist. Bis zur Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.
Diese grausamen Taten soll "White Tiger" begangen haben
Shahriar J. – so lautet der Name des 20-Jährigen, der unter dem Pseudonym "White Tiger", also auf Deutsch "Weißer Tiger", im Internet schwerste Gräueltaten begangen haben soll. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten, soll er eine führende Position in dem Sadistennetzwerk "764" gespielt haben. Die Gruppierung wurde 2021 von einem 15-Jährigen aus Texas gegründet – der Name ist eine Anspielung auf dessen Wohnort.
Der Gründer ist zu 80 Jahren Haft verurteilt – doch das Netzwerk entwickelte sich ohne ihn weiter, auf Plattformen wie Discord: Hunderte "nihilistische gewalttätige Extremisten" sollen sich hier zusammengetan haben, um Kinder zu finden, emotional abhängig von ihnen zu machen und zu quälen.
"White Tiger" wird Mord, mehrfach versuchter Mord sowie mehrfach sexueller Missbrauch vorgeworfen. Er soll Kinder dazu gebracht haben, seinen Namen in die Haut zu ritzen – als eine Art Trophäe. Zudem soll er mehr als 80.000 kinderpornografische Dateien sowie mehr als zwei Wochen Videomaterial besessen haben.
Das wissen wir über die Vergangenheit von "White Tiger"
Der 20-Jährige ist im Iran geboren und in Hamburg aufgewachsen. Laut NDR besuchte er die Stadtteilschule in Winterhude, wo er auch Abitur gemacht hat. Er hat einen größeren Bruder, sein Vater ist erfolgreicher Unternehmer und besitzt mehrere Häuser in Hamburg-Marienthal. Einige Wohnungen habe der Vater vermietet, in einer Wohnung lebte die Familie: In diese stürmte am vergangenen Dienstag das SEK.
Nach der Schule habe Shahriar J. ein Medizinstudium an einer privaten Uni begonnen. Von seinem Vater wird er im Interview mit der "Mopo" als intelligenter und interessierter Mann beschrieben, der viele Freunde habe, Schach und Tennis spiele und ein ambitionierter Student sei. Im März 2025 soll Shahriar J. von seiner Uni exmatrikuliert worden sein, nachdem sie von der Staatsanwaltschaft von den Vorwürfen informiert worden war.
Machten die Auswirkungen der Pandemie Shahriar J. zum Täter?
Ein großer Einschnitt in das Leben von Shahriar J. soll die Corona-Pandemie gewesen sein: Wie seine Anwältin Christiane Yüksel dem "Abendblatt" erklärte, habe er sich in der Zeit vermehrt zurückgezogen und sei in seinem Zimmer geblieben. Der ihm vorgeworfene Mord ereignete sich am 17. Januar 2021 – mitten in der Pandemie.
Eine Nachbarin des mutmaßlichen Täters, die nicht erkannt werden möchte, schilderte dem NDR, dass die Familie stets höflich gewarnt habe: "Es ist unverständlich, das Ehepaar tut mir unendlich leid." Der Vater äußerte sich bisher nur in der "Mopo" und zeigte sich im Gespräch fassungslos, brach öfter in Tränen aus.
Unklar bleibt, ob die Eltern wussten, was ihr Sohn im Internet treibt – und wenn ja, in welchem Ausmaß sie darüber wussten. Laut NDR durchsuchten Polizeibeamte bereits im September 2023 erstmals die Wohnung der Familie – spätestens dann müssten sie etwas mitbekommen haben.
Diese Strafe droht "White Tiger"
Da der mutmaßliche Täter zum Zeitpunkt vieler Taten, die ihm vorgeworfen werden, minderjährig war, droht ihm eine Verurteilung im Jugendstrafrecht, sollte es zum Prozess kommen. Im Jugendstrafrecht kann für Mord eine Haft von bis zu zehn Jahren verhängt werden – bei besonderer Schwere der Schuld bis zu 15 Jahre.
Der 20-Jährige wurde vergangenen Dienstag festgenommen und stand in U-Haft unter ständiger Beobachtung. Doch laut einem Bericht der "Bild" wurde er nach drei Tagen von der Untersuchungshaftanstalt ins Jugendgefängnis auf der Elbinsel Hanhöfersand gebracht.
- Vorherige Berichterstattung von t-online
- presseportal.de: Mitteilung der Polizei Hamburg vom 18. Juni 2025
- ndr.de: "'White Tiger': Neue Details zu 20-jährigem Hamburger Mordverdächtigen"
- abendblatt.de: "White Tiger in anderes Gefängnis verlegt" (kostenpflichtig)
- mopo.de: "Jetzt spricht der Vater von 'White Tiger'" (kostenpflichtig)