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Hamburg

Hamburgs Unfall-Serie auf Waitzstraße im Roman: "Parken Sie nicht im Schaufenster"


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Roman über Hamburger Unfälle
"Bitte parken Sie nicht in unserem Schaufenster"

InterviewVon Eva Puschmann

Aktualisiert am 19.07.2022Lesedauer: 4 Min.
Feuerwehrleute stehen neben einem Auto, das in ein Schaufenster auf der Waitzstraße gekracht ist.Vergrößern des Bildes
Feuerwehrleute stehen neben einem Auto, das in ein Schaufenster auf der Waitzstraße gekracht ist. (Quelle: Privat/ Jonas Walzberg/imago-images-bilder)

Etwa 25 Mal hat es auf der Waitzstraße schon gekracht – und ein Auto ist in einem Schaufenster gelandet. Das Phänomen taucht nun auch in einem Roman auf.

Die Unfälle auf der Hamburger Waitzstraße sorgen nicht nur in der Hansestadt, sondern auch deutschlandweit immer wieder für Schlagzeilen. Meistens sind es Rentner, die mit ihrem Auto in ein Ladenlokal rasen. Die Ladenbetreiber finden keine Lösung gegen die Crashs.

Autor Norbert Klugmann hat von diesem Phänomen in seinem Buch "Bitten parken Sie nicht in unserem Schaufenster" erzählt. Dabei geht es nicht nur um den einen oder anderen Crash, sondern auch um gesellschaftliche Probleme, die humoristisch dargestellt werden.

t-online: Herr Klugmann, warum haben Sie sich für die Unfälle auf der Waitzstraße als Thema für ihr Buch entschieden?

Norbert Klugmann: Diese Unfallserie ist kein einmaliges Event – sie geht schon zehn Jahre lang. Und die Politik ist unfähig, das zu beenden. Die Polizei ist unsichtbar und die Geschäftsleute, die natürlich Sachschäden in großer Höhe zu beklagen haben, dürfen sich nicht beschweren, weil das ihre Kunden sind, die die Unfälle bauen.

Da herrscht eine gewisse Scheinheiligkeit vor, und das wollte ich mir mal anschauen. Die verschiedenen Interessenlagen, die in der Straße aufeinander treffen. Und auch die Menschen, die beteiligt sind. Und die meisten waren weit in ihren 70ern oder sogar 80ern, die die Unfälle gebaut haben.

Warum spielt das Alter der Unfallfahrer in Ihrem Buch eine wichtige Rolle?

Die Senioren haben auch Kinder, die sind mittlerweile auch schon erwachsen, und vor denen müssen sie sich für ihre Unfälle rechtfertigen. Kinder machen sich Sorgen und sagen "Bitte Führerschein abgeben, ab sofort nur noch Taxi".

Da entstehen Familienmachtkämpfe. Das gibt der Geschichte eine weitere Ebene. Meine Hoffnung ist es, dass sich so jeder in dem Buch wiederfindet.

Haben Sie in der Geschichte einen Lieblingsunfall?

Am meisten Spaß hatte ich tatsächlich in den Szenen, in denen ich die alten Leute mit ihren Kindern reden lasse. Ich habe ein Faible für komische und absurde Situationen und bin sehr gut im Dialogschreiben. Und dafür ist das Thema Waitzstraße mit den unterschiedlichen Kriegsschauplätzen perfekt geeignet.

Ich habe keinen Unfall so richtig, richtig prominent herausgestellt, weil ich wollte, dass deutlich wird, es geht nicht um einen Unfall, sondern um alle. Aber ein Unfall in einem anderen Stadtteil ist besonders: Als in Poppenbüttel ein Auto in ein Einkaufszentrum rast – und das ist wirklich passiert –, sind die Waitzstraßler neidisch auf die Berichterstattung. "Die Poppenbüttler wollen unser Unfallmonopol wegnehmen", sagen sie.

Und was passiert dann?

Die Diskussion zwischen Senioren und ihren Kindern und den beiden Stadtteilen spitzt sich zu. Sie führt zu der Entscheidung, dass geklärt werden muss, wer der bessere Autofahrer ist. Und deshalb wird ein Autorennen abgemacht, in einer Kiesgrube vor den Toren von Hamburg. Senioren aus den Elbvororten und aus Poppenbüttel treten gegeneinander an und trainieren vorher. Und das wird dann ein bisschen aberwitzig.

Unfälle sind der Aufhänger für den Roman – ist es nicht auch taktlos, über Unfälle von Senioren zu schreiben?

Die Senioren sind eindeutig die positive, sympathische Gruppe in dem Roman. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Die glückliche Tatsache, dass es bis heute keinen einzigen Unfall mit schwerem Personenschaden gegeben hat, hat mich auch zu dem Roman bewogen. Die verschiedenen gesellschaftlichen Themen, die angesprochen werden, machen die Sache umso wertvoller.

Wenn das alles nur kurioser Slapstick wäre, dann ist das zwar ganz schön, aber ich würde mich langweilen, 300 Seiten zu schreiben. Gerade die Verbindung zwischen knallharter gesellschaftliche Realität und satirischer Überspitzung macht es interessant.

Und wie geht die Geschichte auf der Waitzstraße aus? Gibt es eine Lösung gegen die Unfälle?

Nein, die gibt es nicht. Ich will mit meinem Buch auch nicht pädagogisch erziehen oder Lösungen vorstellen, sondern die Situationen zeigen.

Es ist sogar schon ein zweites Buch geplant. Darin kommen die gleichen Personen vor, aber in einem anderen Stadtteil – nämlich in Poppenbüttel.

Wie lange dauert es, bis Sie ein Buch fertig geschrieben haben?

Ich bin ein sehr schneller Schreiber, und wenn ich mir eine Geschichte ausgemalt habe, dann kann ich sie schnell aufschreiben. Für diesen Roman habe ich nur vier Wochen gebraucht. Ich musste nicht viel recherchieren.

Personen und ganze Situationen habe ich schon vorher im Kopf. Einige Figuren überstehen den Schreibprozess nicht und werden rausgeschmissen, aber dafür kommen andere dazu. Und die Situationen entstehen durch Beobachten, Spazierengehen und auch durchs Lesen.

Und jetzt erzähle ich Ihnen das größte Geheimnis des Menschen, der über die Autounfälle auf der Waitzstraße schreibt: Ich habe überhaupt keinen Führerschein.

Das Buch ist am 13. Juli beim Gmeiner-Verlag erschienen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit dem Autor Norbert Klugmann
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