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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Unterkunft am Loki Schmidt Garten Anwohner unterstützen Flüchtlinge: "Ängste ernst nehmen"
Anwohner gehen gegen eine Flüchtlingsunterkunft in Klein Flottbek auf die Barrikaden. Aber: Es gibt auch Nachbarn, die die Zeltstadt unterstützen.
Dass es so viele werden würden, hat Marie Meyer selbst völlig überrascht. Rund 80 Menschen waren am Freitag zum Nachbarschaftspicknick in Klein Flottbek gekommen. Viele kannten sich bislang nur aus einer Messenger-Gruppe. Doch was klingt, wie ein netter Umtrunk, hatte einen ernsten Hintergrund: Die geplante Flüchtlingsunterkunft spaltet die Nachbarschaft im Westen Hamburgs.
Als Ende April 2024 bekannt wurde, dass die Stadt auf dem Parkplatz am Botanischen Garten 144 Geflüchtete in sogenannten Modulbauten, die sehr an Container erinnern, unterbringen will, war der Widerstand längst formiert. Noch bevor die Behörde überhaupt offiziell informierte, wurden schon Unterschriften dagegen gesammelt und juristische Unterstützung eingeholt.
Anwohner leisten Widerstand
Solche Reaktionen gibt es nicht nur in Klein Flottbek, auch in andere Stadtteile wehren sich die Anwohner gegen neue Heime von Schutzsuchenden, ob nun Menschen mit Asyl-Status oder Obdachlose, wie jüngst in Niendorf.
Diese Reaktionen kennt auch Marie Meyer aus Klein Flottbek. Sie wohnt in einem Wohnprojekt, bestehend aus drei Häusern. Dort kennt man sich, ist gut vernetzt. Als sie in den Medien las, dass sich direkt Widerstand gegen die Unterbringung beim Park gebildet hatte, wollte sie dagegen halten. "Das geht doch so nicht", sagt sie. "Es muss doch noch andere Menschen geben, die das so sehen wie ich."
Über soziale Gruppen im Netz, wie nebenan.de, macht sie sich auf die Suche nach Gleichgesinnten. Inzwischen sind über 150 Menschen in ihrer Messengergruppe aktiv und sind Teil der "Flottbek ist bunt"-Gruppe. Zu einer Demonstration wollte sie nicht aufrufen, sondern besser die Menschen zusammen bringen – bei einem Picknick. Auch, um Ängste abbauen zu können?
"Ängste? Da gibt es große Unterschiede", weiß Meyer. Wer bemängelt, dass barrierefreie Parkplätze wegfallen könnten für die auswärtigen Besucher, hat keine Angst, sondern ist nur schlecht informiert, so die Anwohnerin. Hier könne man aufklären. Aber sie weiß auch: "Es ist schwierig, wenn wir immer über 'die Geflüchteten' lesen oder sprechen. Die haben nämlich kein Gesicht für uns. Und das macht dann Angst." Daher sagt sie auch: "Solche Ängste müssen wir ernst nehmen." Man müsse über das Vorhaben der Stadt mehr sprechen.
Hamburg braucht mehr Flüchtlingsheime
Die Behörde sucht seit Monaten nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten, denn der Strom neuer Geflüchteter wird kaum geringer. Dazu kommt, dass einige Verträge für Unterkünfte, wie angemietete Hotels, auslaufen und auch nicht verlängert werden. Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) greift sogar auf das Mittel der temporären Zwangsvermietung zurück, um Unterkünfte zu finden. Doch: Es reicht nicht. Daher müssen nun wieder Zelte herhalten. Die sollen vor allem an bestehenden Unterkünften angedockt werden, auch, um die Infrastruktur mitnutzen zu können. Aber eben auch Grünflächen und Parkplätze sind in Visier der Senatorin.
Dass solche Entwicklungen verunsichern, ist Meyer bewusst. "Aber wenn ich höre, dass wir jetzt unsere Töchter wegschließen sollen, weil hier Geflüchtete untergebracht werden, dann regt mich das auf. Da werden Ängste genutzt, um Hass und Hetze zu verbreiten."
Schon am Dienstag gibt es ein weiteres Treffen der Aktiven in ihrem Netzwerk. Meyer würden sich "richtig gerne mit der Politik an einen Tisch setzen", um Ideen zu entwickeln. Die Arbeit der Behörde und die Aufgaben der Stadt werde sie aber sicherlich nicht übernehmen, sagt sie.
- T-Online-Artikel
- Telefonat mit Marie Meyer
- flottbekistbunt.de: Informationen zur Initiative "Flottbek ist bunt"