Videospiel-Mekka Wo Nostalgie-Gamer noch auf alten Konsolen zocken können
Im Retro Spiele Club Hamburg erleben die Besucher digitale Spielwiesen der 1970er bis 2000er. Auf rund 100 Quadratmetern bietet das Museum historische Konsolen und PCs zum Mitmachen an.
In Hamburg haben zahlreiche historische Kult-Videospiele im Retro Spiele Club ein neues Zuhause zum Anfassen und Ausprobieren gefunden. Ob Pong, das 1972 veröffentlichte Kult-Computerspiel der Firma Atari, das legendäre Polyomino-Puzzle Tetris des russischen Programmierers Alexei Paschitnow ab 1984, oder die erste Super-Mario-Reihe von Nintendo ab 1985: Jüngere Fans kennen diese beeindruckenden Klassiker der nach wie vor boomenden Computerspiele-Branche meist nur noch aus Erzählungen, für ältere sind sie nostalgische Erinnerung.
In Hamburg haben diese historischen Spiele ein neues Zuhause zum Anfassen und Ausprobieren bekommen: Im bespielbaren Museum des Retro Spiele Clubs stehen die elektronischen Unterhaltungsdinos in ihren steinzeitlich anmutenden grauen oder beigefarbenen Konsolen und PCs vor den Besuchern – und laden zu ausgiebigem Gebrauch ein.
Mit Computerspielen in die 70er-Jahre reisen
Die Dauerausstellung, bei der auch kühle Getränke zum Angebot gehören, haben die Geschäftspartner Patrick Becher und Robin Lösch im Jahr 2019 eröffnet. Auf rund 100 Quadratmetern eines ehemaligen Büros im Stadtteil Horn präsentieren die beiden Pressefotografen und Unternehmer mehr als 50 Konsolen und PCs, zu deren Herstellern etwa auch Commodore und Sega gehören – Firmen, die es in dieser Form längst nicht mehr gibt.
Sega existiert zwar noch. Die japanische Firma baut allerdings keine eigenen Konsolen mehr. Dazu bedecken knallbunte Verpackungen hunderter Spiele die Wände, übersichtlich geordnet stecken Games auch in Vitrinen. Im Regal stapeln sich alte Fachzeitschriften.
Der Deutschen Presse-Agentur sagte Becher: "Hier kann man eine lehrreiche Reise unternehmen – von den 1970ern bis kurz nach 2000, von Pong bis Pacman. Und dabei alles selbst ausprobieren. Es gibt keine Vitrine, die man nicht öffnen darf". Das mache sein Haus außergewöhnlich. Denn im ungleich größeren, 1997 gegründeten Berliner Computerspielemuseum oder auch in kleineren, von Vereinen betriebenen Häusern etwa in Oldenburg (Niedersachsen) und Karlsruhe (Baden-Württemberg) dürfen Besucher nicht den gesamten Bestand bespielen.
Schüler zocken für Projektwoche im Museum
Gerade tummeln sich bei Becher und Lösch drei Schüler aus dem schleswig-holsteinischen Flensburg an mehreren Konsolen. Im Rahmen einer Projektwoche sollen sie das Retrotechnik-Museum später ihrer Klasse vorstellen.
Außerdem treten die Brüder James (17) und David (14) aus Irland hochkonzentriert bei Trackmania gegeneinander an – einer Video-Autorennserie (2003 bis 2020) aus dem französischen Studio Nadeo. Dabei gilt es, Geraden und Kurven, Schanzen, Loopings und Röhren, Schlaglöcher und Tunnel zu meistern – und natürlich zu gewinnen. "Ein alter Klassiker, von dem es immer wieder neue Versionen gegeben hat", sagt James. "Ich finde es super interessant, zu entdecken, wie das Spiel früher aussah."
Hamburg gilt als Gaming-Stadt
Das Museum passt zu Hamburg. Denn die Hansestadt gilt nach Auskunft des Branchenverbands Game mit Sitz in Berlin ohnehin als "Gaming-Stadt". Unter anderem, weil hier etablierte Events wie die Polaris Con und die Hamburg Games Conference für einen Aufschwung am Standort gesorgt hätten. Heutzutage gibt es den Angaben zufolge gut 900 Unternehmen in Deutschland, die Spiele entwickeln und veröffentlichen. Rund 12.000 Mitarbeitende sind in der Branche beschäftigt. Der Umsatz mit Games, Games-Hardware und Online-Gaming-Services betrug laut Game-Verband 2023 rund 9,97 Milliarden Euro.
Und wie kam es zum originellen Mini-Museum in Hamburg-Horn? Becher sagt: "Als Jugendliche hatten wir Jobs in An- und Verkauf-Geschäften für Computerspiele, lernten uns dort kennen und übernahmen die Geschäfte in den 90ern. Das hat sich wegen des Internets irgendwann erledigt und wir haben die Sachen eingelagert". Jahrzehnte später habe man sich überlegt, was man mit den Geräten machen könne. Erst haben sie die Games und Konsolen in einer Ausstellung gezeigt und dann die Idee für das Museum entwickelt.
"Die größte Fehleinschätzung unseres Lebens"
Mit Spenden und Ankäufen hätte das Museum seinen Bestand erweitert, sagt Becher. Fördermittel erhielten sie als privates Museum nicht, bedauert er – das Geld für Miete und andere laufende Kosten müssten sie erwirtschaften. Kommt das Gespräch auf sein Publikum, gerät der Technik-Freak ins Schwärmen. "Erst hatten wir klischeehaft gedacht, hier erscheint nur der Mann ab 35. Die größte Fehleinschätzung unseres Lebens", konstatiert Becher. Es kämen Kinder, Jugendliche und Erwachsene jeden Geschlechts – oft in Gruppen. Was Retro bedeute, verschiebe sich dabei – für Junge sei das ja etwas anderes als für 50-Jährige.
"Mich begeistert, wie die Leute reagieren. Egal, wie vielleicht genervt und gestresst sie waren – die Tür fällt zu, sie sehen unsere Pixel-Oldtimer und strahlen, entspannen sich", sagt Becher. Daher könne er auch mit dem in der Gesellschaft oft geäußerten Vorwurf, Computerspiele förderten Isolation und Gewaltbereitschaft, nicht viel anfangen. "Ganz im Gegenteil – bei uns haben die unterschiedlichsten Menschen gemeinsam Spaß", befindet der Hausherr.
- Reporterin vor Ort