Opfer überlebte schwer verletzt Messerangriff in Flüchtlingsunterkunft – Haftstrafe für Tunesier
In einer Flüchtlingsunterkunft in Wilhelmsburg sticht ein Mann seinem Mitbewohner ein Messer in den Hals. War es ein versuchter Mord? Nein, sagt das Landgericht – und hat dafür einen besonderen Grund.
Wegen eines Messerangriffs auf seinen Mitbewohner in einer Flüchtlingsunterkunft hat das Landgericht Hamburg einen Angeklagten zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Der 33-jährige Tunesier wurde wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm auch versuchten Mord vorgeworfen und sechs Jahre Haft beantragt. Der Verteidiger hatte zwei Jahre auf Bewährung gefordert.
Angeklagter glaubte, von Mitbewohner gefilmt zu werden
Der Angeklagte hatte mit einem damals 22-jährigen Syrer zusammen in einem Wohncontainer im Stadtteil Wilhelmsburg gewohnt. Das Zusammenleben sei vor der Tat friedlich gewesen, sagte der Vorsitzende Richter Matthias Steinmann in der Urteilsbegründung. In der Nacht zum 18. Januar 2024 sei der Angeklagte aufgewacht und habe irrtümlich geglaubt, dass sein Mitbewohner ihn im Schlaf mit dem Handy gefilmt habe. Das habe ihn wütend gemacht. Als der 22-Jährige aus dem Fenster schaute, habe er ein Gemüsemesser mit einer zwölf Zentimeter langen Klinge gegriffen und es dem Mitbewohner heimtückisch in den Hals gestochen. Dabei habe er den Tod des Mannes in Kauf genommen.
Rücktritt vom Mordversuch
"Das Opfer war völlig arg- und wehrlos", sagte Steinmann. Der 22-Jährige stürzte zu Boden und wehrte sich gegen weitere Stiche, wobei er an der Hand eine Abwehrverletzung erlitt. Seine Hilfeschreie alarmierten drei weitere Bewohner der Unterkunft, die es aber nicht wagten, dem Angeklagten das Messer abzunehmen. Dieser ließ dennoch von seinem Opfer ab und ging zum Büro des Sicherheitsdienstes. Dort gab er sein Messer ab und stellte sich der Polizei. Dieses Verhalten wertete die Strafkammer als freiwilligen Rücktritt vom versuchten Mord.
Vier Zentimeter tiefe Verletzung am Hals
Die Klinge war vier Zentimeter tief in den Hals des 22-Jährigen eingedrungen. Der Stich sei potenziell lebensgefährlich gewesen. Der Verletzte sei jedoch nur ambulant im Krankenhaus behandelt worden, eine Operation war nicht nötig. "Glück und Zufall, Gott sei Dank!", sagte der Richter. Der Anlass für die Tat und die Tat selbst stünden in einem krassen Missverhältnis zueinander.
Die gefährliche Körperverletzung sei kein minderschwerer Fall, betonte Steinmann. Der Angeklagte sei nicht vorbestraft und habe die Tat bereut, habe jedoch die Schuld an der Verletzung dem Opfer in die Schuhe schieben wollen. Es sei hoch wahrscheinlich, dass der 33-Jährige nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe in sein Heimatland Tunesien abgeschoben werde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
- Nachrichtenagentur dpa