Razzia nach IZH-Verbot Darum ist die "Blaue Moschee" so gefährlich
Das Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) wurde lange gefordert, nun hat es die Bundesregierung durchgesetzt. Was macht den Verein so gefährlich?
"Das Islamische Zentrum Hamburg ist mit dem heutigen Tag Geschichte", sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) am Mittwochmorgen. Die Debatte über ein Verbot des Vereins, der als "verlängerter Arm" des iranischen Regimes gilt, lief seit vielen Jahren. Die Opposition zeigte sich daher nur bedingt positiv gestimmt: "SPD und Grüne haben dem Treiben des IZH jahrelang tatenlos zugesehen und sich erst auf massiven Druck und viel zu spät zu einem Verbotsverfahren durchgerungen", kritisierte Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion.
Weshalb hat es so lange gedauert, das IZH zu verbieten? Weshalb gilt der Verein als so gefährlich? Und was hat nun zum Verbot geführt? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist das Islamische Zentrum Hamburg?
Das IZH und die von ihm in Hamburg betriebene "Blaue Moschee" (Imam-Ali-Moschee) an der Alster wird von schiitischen Muslimen verschiedener Nationalitäten als zentrale religiöse Anlaufstelle genutzt. Seit Jahrzehnten finden in der Moschee regelmäßig Gebetsveranstaltungen und religiöse Feiern statt. Zudem werden dort laut Verfassungsschutz diverse Lehrveranstaltungen angeboten – etwa islamischer Religionsunterricht für Kinder und Unterricht in den Sprachen Arabisch, Farsi und Deutsch.
Von 2012 bis 2022 gehörte das Zentrum als Teil der Schura – dem Rat der islamischen Gemeinden in Hamburg – dem Staatsvertrag der Stadt mit weiteren muslimischen Verbänden an. Ziel des Vertrags ist es, den Dialog zwischen den Verbänden und Hamburg zu fördern. "Die Religionsfreiheit, die funktioniert, weil wir sie nicht nur für uns gelten lassen", sagte der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) 2017 über den Sinn und Zweck.
Wie viele Anhänger hat das IZH in Deutschland?
Der Verfassungsschutz hat hierzu bisher keine gesicherten Angaben gemacht. Denn nicht jeder, der an einer Veranstaltung teilnimmt oder in der "Blauen Moschee" betet, kann deshalb gleich der Vereinigung zugerechnet werden. Zudem sind viele Menschen iranischer Herkunft, die in Deutschland leben, entschiedene Gegner islamistischer Ideologie.
Was ist der Grund für das Verbot?
Der Verfassungsschutz schätzt das IZH als einen schiitisch-islamistischen Verein ein und beobachtet es bereits seit 1993. Es sei "neben der Botschaft die wichtigste Vertretung der Islamischen Republik Iran in Deutschland", heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht. Der Verein ist demnach darauf ausgerichtet, die islamische Lehre, so wie sie dem Religionsverständnis der iranischen Führung entspricht, zu verbreiten. "Innerhalb schiitisch-extremistischer Kreise ist häufig eine deutliche antisemitische und antiisraelische Grundeinstellung feststellbar, die auch in verschiedenen Medienkanälen propagiert wird."
Das IZH steht in der Hamburger Politik bereits seit vielen Jahren in der Kritik. "Hamburg kann und darf keine staatsvertraglichen Beziehungen mit Organisationen pflegen, die möglicherweise als verlängerter Arm des Geheimdienstes eines autokratischen Systems fungieren oder schlimme antisemitische Verirrungen pflegen", sagte die FDP-Politikerin Anna von Treuenfels-Frowein 2017 dem "Abendblatt".
Insbesondere die regelmäßige Teilnahme des IZH an den sogenannten "Al-Quds-Tagen" entfachte häufig Diskussionen: Dabei rufen iranische Extremisten seit 1996 alljährlich am letzten Samstag des Fastenmonats Ramadan in Berlin zur Eroberung Jerusalems und der Vernichtung Israels auf.
Warum kam das Verbot erst jetzt?
Die Trennung von Religionsausübung und extremistischen Aktivitäten ist bei Vereinen, die sich der Religion verschrieben haben, oft schwierig. Moscheevereine werden nur selten verboten. Am 16. November 2023 durchsuchten Sicherheitskräfte die "Blaue Moschee" sowie fünf weitere Vereinigungen. Dabei beschlagnahmten sie Material, das laut Bundesinnenministerium ausgewertet wurde und ausreichend Belege für ein Verbot lieferte.
Es gab bereits 2020 konkrete Forderungen nach einem IZH-Verbot. Damals wurde unter Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die terroristische Organisation Hisbollah in Deutschland, die Verbindungen zum IZH unterhielt, verboten. Nach der brutalen Niederschlagung der Massenproteste und dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im Iran 2022 wurden die Rufe nach einem Verbot lauter. Im November 2022 beschloss der Bundestag einen Auftrag an die Bundesregierung, "zu prüfen, ob und wie das Islamische Zentrum Hamburg als Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland geschlossen werden kann".
Aus der am Mittwoch veröffentlichten Verbotsbegründung geht hervor, dass das IZH die Hisbollah selbst nach dem Betätigungsverbot unterstützt und gefördert hat. "Dies geschieht im vollen Wissen um die Ideologie und die Ziele, insbesondere dem fortwährenden bewaffneten Kampf gegen den Staat Israel", heißt es darin. Das IZH verbreite einen "aggressiven Antisemitismus" und propagiere die "Islamische Revolution", die eine Gesellschaft ohne freie Wahlen, Minderheitenschutz oder Gewaltenteilung anstrebe.
Wer sind die wichtigsten Vertreter des IZH?
Seit August 2018 ist Mohammad Hadi Mofatteh Leiter des IZH. Zum Amtsantritt betonte er seine Bereitschaft zum interreligiösen Dialog: "Was mich besonders interessiert, ist der interreligiöse Dialog zwischen Islam und Christentum, Islam und Judentum."
Im jüngsten Verfassungsschutzbericht heißt es über ihn: "Mofatteh ist ein versiert geschulter Vertreter des gegenwärtigen Regimes in Teheran. Seine Familie ist fest in die staatlich-religiöse Elite des Iran eingebunden." Er sei dem Obersten Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, berichtspflichtig und weisungsgebunden. Bei früheren Durchsuchungen wurden nach Angaben aus Sicherheitskreisen Dokumente gefunden, die diese enge Verbindung deutlich belegen.
Im November 2022 wurde der stellvertretende Leiter des IZH, Seyed Mousavifar, wegen Verbindungen zur Hisbollah aus Deutschland ausgewiesen. "Wer nachweislich Terrororganisationen oder Terrorfinanzierer unterstützt, stellt eine schwerwiegende Gefahr für unsere Sicherheit dar und hat in Deutschland nichts zu suchen", sagte Innensenator Andy Grote (SPD) damals.
Was geschieht jetzt mit dem beschlagnahmten IZH-Vermögen?
Das Vereinsvermögen geht, wenn das Verbot rechtskräftig wird, in den Besitz des Bundes über. Die Frage, was der deutsche Staat mit einem repräsentativen islamischen Sakralbau wie der "Blauen Moschee" anfangen soll, ist allerdings nicht ganz einfach zu beantworten.
In der Hamburgischen Bürgerschaft, die fraktionsübergreifend die Schließung des IZH gefordert hatte, wurde bereits der Ruf laut, die Moschee als Gebetsort für schiitische Muslime zu erhalten. Allerdings müsse der Einfluss Teherans auf die Einrichtung ausgeschlossen werden. "Es ist uns wichtig, dass die zukünftige Nutzung der 'Blauen Moschee' gemeinsam mit den Exil-Iranern und -Iranerinnen entwickelt wird", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Kienscherf.
- Eigene Recherche
- Bundesinnenministerium: Pressemitteilung vom 24. Juli 2024
- SPD-Fraktion Hamburg: Pressemitteilung vom 24. Juli 2024
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa