Nach Kritik an Tschentscher Sinti und Roma bei Gedenkrede nicht erwähnt – SPD nimmt Stellung

Die SPD hat auf die Vorwürfe des Zentralrats der Sinti und Roma reagiert. Dieser hatte scharfe Kritik an der Hamburger Erinnerungskultur geübt.
Die SPD hat auf einen Vorwurf Zentralrats Deutscher Sinti und Roma reagiert, wonach Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher die NS-Verbrechen gegen Sinti und Roma unerwähnt gelassen hat. Tschentscher hatte eine Gedenkrede im ehemaligen KZ Neuengamme in Hamburg anlässlich der Befreiung am 3. Mai gehalten.
Vonseiten der Hamburger SPD hieß es am Donnerstagabend, Tschentscher habe in seiner Rede wörtlich von "Millionen Menschen" gesprochen, für deren Tod die Nationalsozialisten verantwortlich waren, sowie von "zehntausenden Menschen", die im Konzentrationslager Neuengamme umgebracht wurden.
Damit habe sich der Bürgermeister "auf Menschen aller Staatsangehörigkeiten, Bevölkerungsgruppen und Kulturkreise, ohne diese im Einzelnen aufzuzählen" bezogen, so ein Sprecher der SPD zu t-online.
Vorsitzender des Zentralrates übt Kritik in offnenem Brief
Am Mittwoch hatte Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher in einem offenen Brief scharf kritisiert: In dessen Gedenkrede habe er zwar an die jüdischen Opfer erinnert, die systematische Ermordung von 500.000 Sinti und Roma im Nationalsozialismus aber vollständig ausgelassen.
"Ich bin fassungslos", schrieb Rose – und meint damit nicht nur den Moment der Rede, sondern eine politische Kontinuität. Dass Sinti und Roma immer wieder im Gedenken übergangen werden, sei mitverantwortlich für die anhaltende Verharmlosung von Antiziganismus, der Diskriminierung und Anfeindung von Sinti und Roma.
Die fehlende Nennung wertete Rose nicht als Zufall, sondern als symptomatisch für einen strukturellen Ausschluss aus der Erinnerungskultur.
Der SPD-Sprecher entgegnete, dass Tschentscher im Gegenteil zu verschiedenen Anlässen auf die Verbrechen hingewiesen habe, die an den Sinti und Roma während des Nationalsozialismus verübt wurden. Ein solcher Anlass sei beispielsweise eine Gedenkstunde im Bundesrat im Dezember 2022 gewesen.
Der 80. Jahrestag in Neuengamme
Am 3. Mai 2025 wurde in Hamburg des 80. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Neuengamme gedacht. Redner waren unter anderem Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher sowie Vertreter von Überlebendenorganisationen.
Bereits 2023 hatte der Zentralrat laut Rose erfolglos gefordert, den Schutz vor Antiziganismus ebenfalls in die Hamburger Landesverfassung aufzunehmen – analog zum Schutz vor Antisemitismus, der dort nun explizit verankert ist. Tschentscher hatte dies mitgetragen, aber die Erweiterung auf Sinti und Roma blieb aus.
Steinmeier entschuldigte sich für Ausgrenzung
Rose nennt namentlich NS-Todeslager wie Auschwitz, Majdanek, Chelmno, aber auch das ehemalige KZ Neuengamme selbst. Diese Orte seien "zu den größten Friedhöfen unserer Minderheit geworden", so der 78-Jährige. Umso unverständlicher sei das Auslassen ihrer Geschichte in der offiziellen Gedenkrede.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte sich 2022 öffentlich für die "zweite Verfolgung" entschuldigt, also die jahrzehntelange Ausgrenzung und Missachtung der Sinti und Roma nach 1945. Rose stellt fest: Trotz seiner fast 50 Jahre währenden politischen Arbeit sei es ihm nicht gelungen, den Völkermord an seiner Minderheit im kollektiven Gedenken der Bundesrepublik zu verankern.
- presseportal.de: "Offener Brief an Peter Tschentscher"
- Antwort auf eine Anfrage an die SPD Hamburg vom 8. Mai 2025
- bundesrat.de: "Gedenkrede von Dr. Peter Tschentscher zum Gedenken an die im Nationalsozialismus verfolgten Sinti und Roma"
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