Krankenhaus vor dem Aus "Katastrophe": Wilhelmsburg verliert Notaufnahme – Anwohner besorgt

Die Klinik Groß-Sand in Hamburg-Wilhelmsburg wird abgewickelt. Notaufnahme und Chirurgie schließen Mitte Juli – was bleibt, ist ein Versprechen auf eine Stadtteilklinik. Anwohner sind in Aufruhr.
Es ist eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen für Hamburgs Süden: Das Erzbistum Hamburg gibt die Trägerschaft für das Krankenhaus Groß-Sand in Wilhelmsburg zum 15. Juli 2025 auf. Das teilte das Bistum am 27. Mai mit.
Betroffen sind vor allem die chirurgische Versorgung, der OP-Betrieb und die zentrale Notaufnahme – sie alle werden geschlossen. Für die Elbinsel bedeutet das den Verlust der einzigen Anlaufstelle für akute medizinische Notfälle. Zuvor hatten andere Medien über das Thema berichtet.
Klinik Groß-Sand in Hamburg: 2026 soll gänzlich Schluss sein
Die verbleibenden Abteilungen – Geriatrie und neurologische Frührehabilitation – sollen zunächst noch am Standort bleiben, jedoch im Laufe des kommenden Jahres an das Katholische Marienkrankenhaus verlagert werden.
Damit steht fest: Wilhelmsburg wird mittelfristig nicht nur seine Notfallversorgung, sondern auch seine stationäre Spezialversorgung verlieren.
"Schmerzhafte Entscheidungen" – das Ende eines Krankenhauses
"Wir übernehmen am Standort Groß-Sand weiter Verantwortung, mit einem klaren medizinischen Profil und einer spezialisierten Versorgung", erklärt Alexander Becker, Verwaltungsdirektor des Erzbistums Hamburg in einer Mitteilung. Die strukturelle Neuausrichtung sei notwendig, da die Klinik über Jahre hinweg hohe Defizite erwirtschaftet habe. Allein durch Pensionslasten sei ein Millionendefizit entstanden.
Die Mitarbeitenden wurden am 27. Mai informiert. Laut Erzbistum sollen etwa 40 der rund 550 Beschäftigten durch die Umstrukturierung ihren Arbeitsplatz verlieren. Die übrigen sollen in Häuser des katholischen Krankenhausverbunds "Ansgar-Gruppe" wechseln können.
Tausende unterschreiben Petition gegen Krankenhaus-Schließung
Die Entscheidung sorgt für massiven Protest – innerhalb weniger Tage haben mehr als 5.000 Menschen eine Petition gegen die Schließung des Krankenhauses unterzeichnet. Initiator Hans Martin Wismar hat die Petition am 30. Mai auf der Platform change.org erstellt.
"Ein Krankenhaus ohne Notaufnahme und chirurgische Abteilung ist KEIN Krankenhaus mehr", heißt es darin wörtlich. Und weiter: "Somit besteht auch keine umfassende Gesundheitsversorgung im Stadtteil."
60.000 Menschen: Krankenhaus sei "unverzichtbar"
Auf den Elbinseln Wilhelmsburg und Veddel leben rund 60.000 Menschen – chirurgische Praxen oder Durchgangsärzte gebe es laut Petition dort schon jetzt nicht mehr. Ab Juli fehle dann auch das Notfallröntgen. Der Weg zum nächsten Krankenhaus führt über die oft überlasteten Elbbrücken.
Hartmut Sauer, langjähriger Beobachter der Krankenhauslandschaft im Hamburger Süden, spricht in einem Kommentar von einer "Katastrophe". Der 75-Jährige engagiert sich im Verein "Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg" und kritisiert: "Durch die Insellage, den Hafen und die vielen Industriereviere ist Wilhelmsburg deutlich von anderen Stadtteilen abgegrenzt. Deshalb ist ein Krankenhaus der Grund-, Regel- und Notfallversorgung unverzichtbar."
Das plant die Stadt Hamburg
Die Stadt will auf dem Gelände von Groß-Sand eine Stadtteilklinik errichten. Diese soll ambulante Angebote, Kurzzeitpflege und einige wenige Betten für Kurzlieger umfassen – also Menschen, die beispielsweise nach einem kleineren Eingriff noch kurze Zeit betreut werden müssen. Ein Notfallzentrum im klassischen Sinne ist jedoch nicht vorgesehen.
Linus Görg, der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen versichert: "Eine hochwertige Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Hamburg ist unser zentrales Ziel." Die Entscheidung des Senats sorge jedoch leider vorerst für mehr Unsicherheit, heißt es in einer Mitteilung vom 27. Mai.
Versorgungslücke in Wilhelmsburg
So klar die Strukturreform auf Landes- und Bundesebene wirkt – in Wilhelmsburg hinterlässt sie eine Versorgungslücke. Ab Juli drohen lange Transportzeiten, zusätzliche Belastung für Notaufnahmen und eine unklare Lage im Katastrophenfall.
Eine Unterstützerin der Petition schreibt: "Der schreckliche Brand im Marienkrankenhaus hat uns allen vor Augen geführt, wie zerbrechlich unsere medizinische Versorgung sein kann – und wie lebenswichtig jede Klinik ist. Groß-Sand ist nicht nur ein Krankenhaus, sondern ein Anker für die Menschen in Wilhelmsburg und darüber hinaus. Es jetzt zu schwächen oder gar zu schließen wäre verantwortungslos".
- erzbistum-hamburg.de: "Weiterentwicklung am Krankenhausstandort Groß-Sand"
- change.org: "Gegen die Schließung des Wilhelmsburger Krankenhauses"
- gruene-hamburg.de : "Krankenhaus Groß-Sand"
- zukunft.elbinsel.de: "Hamburg braucht ein Notfallzentrum auf der Elbinsel!"
- mopo.de: "Keine Notaufnahme, kein OP-Betrieb: Ärger um Pläne für Hamburger Krankenhaus" (kostenpflichtig)
- abendblatt.de: "Krankenhaus in Hamburg schließt – Senat übernimmt Grundstück" (kostenpflichtig)